Verkauf von Speisen und Getränken – Neue Rechtsprechung in der Umsatzsteuer

Ob der Verkauf von Speisen dem ermäßigten oder dem Regelsteuersatz unterliegt, hängt davon ab, ob es sich um eine reine Lieferung von Nahrungsmitteln handelt  oder ob auch Dienstleistungselemente das Verkaufsgeschäft begleiten. Die deutsche Finanzverwaltung hat die Anforderungen an eine reine Speisenlieferung zunehmend verschärft. Der Bundesfinanzhof hat daher dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vier Fälle zur Entscheidung vorgelegt, bei denen es um die Höhe der Umsatzsteuer für den Verkauf von Speisen und Getränken ging. Folgende Sachverhalte hat der EuGH in seinem Urteil vom 10.03.2011 entschieden:

  1. Verkauf von Getränken und verzehrfertig zubereiteten Speisen (Würste und Pommes Frites) auf Wochenmärkten in gleichartigen Imbisswagen, die geschützte Stellen hatten, an denen die Speisen an Ort und Stelle verzehrt werden konnten
  2. Verkauf von Süßigkeiten, Getränken, Popcorn und Tortilla-Chips zum Verzehr im Kinosaal
  3. Verkauf von verzehrfertig zubereiteten Speisen (Bratwürste, Hot Dogs, Spieße) von einem Imbissstand sowie von einem Schwenkgrill
  4. Verkauf von bestellten Speisen in verschlossenen Warmhalteschalen durch eine Fleischerei mit Partyservice, wobei je nach Kundenwunsch auch Geschirr und Besteck, Stehtische und Personal zur Verfügung gestellt wurden

Der EuGH hat in seinem Urteil vom 10.03.2011 entschieden, ob es sich in diesen Fällen um Lieferungen oder sonstigen Leistungen handelt. Ergebnis: In den Fällen 1 bis 3 sah der EuGH die Lieferung von Speisen zum sofortigen Verzehr als dominierendes Element an, wobei nur eine einfache, standardisierte Zubereitung erfolgt. Die Bereitstellung von Vorrichtungen, die einer beschränkten Anzahl von Kunden den Verzehr an Ort und Stelle ermögliche, sei eine rein untergeordnete Nebenleistung, die für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes von 7 % unschädlich sei.

Im Fall 4, bei den Leistungen des Partyservices, sah der EuGH dagegen die Dienstleistung als überwiegendes Element an. Dies bezieht er nicht nur auf die notwendige Arbeit und Kreativität, die bestellten Speisen zuzubereiten und darzureichen, sondern auch auf die Bereitstellung von Geschirr, Besteck, Mobiliar und Mobiliar. Damit handelt sich insgesamt um eine sonstige Leistung, die dem Regelsteuersatz von 19 % unterliegt. Bei einem Partyservice kann der ermäßigte Steuersatz nur dann in Betracht kommen, wenn es sich um die Lieferung von Standardspeisen ohne weitere Dienstleistungselemente handelt.

Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs

Im Einzelnen macht der EuGH für die Beurteilung, ob eine einheitliche Leistung vorliegt, folgende Vorgaben:

  • Zwei oder mehr Einzelleistungen oder Handlungen des Steuerpflichtigen für den Kunden sind so eng miteinander verbunden, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufteilung wirklichkeitsfremd wäre.
  • Eine oder mehrere Teile sind als Hauptleistung anzusehen, andere Teile aber als Nebenleistung, die das Schicksal der Hauptleistung teilen. Es handelt sich um eine Nebenleistung, wenn diese für die Kunden keinen eigenen Zweck darstellt, sondern nur das Mittel, um die Hauptleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.

Die Feststellungen nach diesen Vorgaben treffen die nationalen Gerichte, die die Gesamtheit der tatsächlichen Umstände zu beurteilen sowie die charakteristischen und die dominierenden Bestandteile des Umsatzes zu bestimmen haben. Dabei ist zu beachten, dass nach dem europäischen Rechts nicht nur die Lieferung von Rohstoffen unter den ermäßigten Steuersatz fällt, sondern auch die Lieferung von Speisen und Mahlzeiten zum sofortigen Verzehr, die durch Kochen, Braten, Backen oder auf sonstige Weise zum Verzehr zubereitet worden sind, wenn nicht andere Dienstleistungselemente das Umsatzgeschäft dominieren.

Praxishinweise:

Die Regelungen im deutschen Umsatzsteuerrecht sehen schon bei geringen Dienstleistungselementen eine sonstige Leistung, die mit dem Regelsteuersatz zu besteuern ist (BMF-Schreiben vom 16.10.2008). Es bleibt abzuwarten, wie dieses EuGH-Urteil konkret umgesetzt wird, vermutlich durch eine Änderung im Umsatzsteueranwendungserlass. Unter Anwendung der günstigeren europäischen Rechtsprechung sollten die Steuerpflichtigen ggf. die Änderung der bisherigen Umsatzsteuer-Veranlagungen beantragen – sofern die Festsetzungsverjährung noch nicht eingetreten ist. Dabei ist aber zu beachten, dass dies nur möglich ist, wenn in der Vergangenheit die Einnahmen aus dem Verkauf von Speisen (ggf. 7 %) und Getränken (in der Regel 19 % Umsatzsteuer) getrennt erfasst wurden. Sofern in der Vergangenheit solch getrennte Aufzeichnungen nicht erfolgt sind, wären entsprechende organisatorische Änderungen für die Zukunft sicher sinnvoll.

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