Tiefgaragen-Urteil – Wettbewerbsverzerrungen durch die öffentliche Hand

Immer wieder kommt es zu der Frage, wann Kommunen und andere juristische Personen des öffentlichen Rechts (jPdöR) mit ihren Tätigkeiten in den Wettbewerb eintreten, so dass als Konsequenz diese Tätigkeiten der Umsatzsteuerpflicht unterliegen. Zuletzt hatte der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 01.12.2011 darüber zu befinden, ob die Überlassung von Pkw-Tiefgaragenstellplätzen durch eine Gemeinde der Umsatzsteuer zu unterwerfen ist.

Im Urteilsfall hatte eine Gemeinde Stellplätze in einer Tiefgarage als “öffentlich-rechtliche Sache” gewidmet und nutzungsdauerabhängige Parkgebühren verlangt. Das Finanzamt behandelte den Betrieb der Tiefgarage als Betrieb gewerblicher Art und unterwarf die Leistungen der Umsatzsteuer. Die Gemeinde war der Auffassung, dass sie hoheitlich tätig war und das Finanzgericht gab ihr Recht. Der BFH urteilte anders und änderte damit seine bisherige Rechtsprechung: eine Gemeinde, die nicht auf privatrechtlicher, sondern auf hoheitlicher Grundlage Stellplätze für Pkw in einer Tiefgarage gegen Entgelt überlässt, handelt als Unternehmer und erbringt Leistungen, wenn ihre Behandlung als Nichtsteuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.

Eine derartige Wettbewerbsverzerrung liegt auch vor, wenn eine Gemeinde zwar nach §§ 45, 13 StVO öffentlich-rechtlich auf einer öffentlich-rechtlich gewidmeten “Straße” überlässt, es sich hierbei jedoch um Flächen einer Tiefgarage handelt. Der straßen- und wegerechtlichen Beurteilung kommt keine Bindungswirkung für die umsatzsteuerliche Beurteilung zu.

Dieses Urteil hat grundsätzliche Bedeutung, denn es liegt zum einen auf der Linie der EuGH-Rechtsprechung und zum anderen auf der jüngeren Rechtsprechung des BFH, der zunehmend die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen als umsatzsteuerlich relevant ansieht. Wenn Kommunen auf privatrechtlicher Vertragsgrundlage tätig wird, ist die Steuerbarkeit ihres Handels ohne weitere Voraussetzungen gegeben. Handelt sie dagegen auf öffentlich-rechtlicher Grundlage, ist sie als umsatzsteuerlich relevanter Unternehmer, wenn eine Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Wann aber liegen solche größeren Wettbewerbsverzerrungen vor? Zu dieser Frage hat der EuGH in seinem Urteil vom 16.09.2008 Stellung genommen:

  • Größere Wettbewerbsverzerrungen sind nur dann zu verneinen, wenn die Behandlung öffentlicher Einrichtungen als Nichtsteuerpflichtige lediglich zu unbedeutenden Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Es ist daher für die Behandlung einer auf öffentlich-rechtlicher Grundlage tätigen jPdöR nicht erforderlich, dass erhebliche oder außergewöhnliche Wettbewerbsverzerrungen vorliegen.
  • Für die Wettbewerbsbeurteilung ist nicht nur der gegenwärtige, sondern auch der potentielle Wettbewerb zu berücksichtigen.
  • Für die Wettbewerbsbeurteilung kommt es nicht auf die Verhältnisse auf dem jeweiligen lokalen Markt an. Die Wettbewerbsverzerrung ist in Bezug auf die fragliche Tätigkeit als solche zu beurteilen, ohne dass sich diese Beurteilung auf einen lokalen Markt im Besonderen bezieht, so dass allein die Art der Tätigkeit maßgeblich ist.
  • Die rein theoretische Möglichkeit für einen privaten Wirtschaftsteilnehmer, in den relevanten Markt einzutreten, kann nicht mit dem Vorliegen eines potenziellen Wettbewerbs gleichgesetzt werden. Die Möglichkeit zum Markteintritt muss real und nicht nur rein hypothetisch sein.

 

 

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